Geschlechtsunterschiede
Die Geschlechter lassen sich i. d. R. am einfachsten an der Schwanzform und -größe unterscheiden. Die Männchen haben meist einen längeren, dicken Schwanz mit weiter nach hinten verlagerter Kloakenöffnung als beim Weibchen. Bei Jungtieren ist eine sichere Geschlechtsbestimmung häufig erst ab 2 - 3 Jahren möglich.
Verhalten
Die tagaktiven Landschildkröten zeigen kein ausgeprägtes Sozialverhalten, sondern sind eher Einzelgänger. Sie können einzeln, in Harems oder in reinen Weibchengruppen gepflegt werden. Eine Haremshaltung ist nur in größeren und gut strukturierten Freilandgehegen und mit einem deutlichen Weibchenüberschuss (mindestens drei Weibchen) möglich. Während der Paarungszeit muss darauf geachtet werden, dass die Männchen die weiblichen Tiere nicht zu sehr stressen. Bei Bedarf sollten die Männchen in dieser Zeit einzeln gehalten werden.
Verhaltensgerechte Unterbringung
Landschildkröten sind deutlicher agiler als im Allgemeinen vermutet wird; für die dauerhafte Haltung wird daher ein großzügiges Freigehege mit einem Gewächshaus benötigt. Das Gehege sollte für die Pflege von bis zu zwei erwachsenen Tieren in Abhängigkeit von der Endgröße mindestens 4 - 8 m² Grundfläche aufweisen. Das Gehege muss nach allen Seiten gegen Untergraben, Überklettern sowie das Eindringen von Fressfeinden (Vögel, Ratten, Marder, Katzen etc.) gesichert sein.
Als wechselwarme Tiere benötigen Landschildkröten ein Temperaturgefälle, das es ihnen ermöglicht, ihre optimale Körpertemperatur zu erreichen. Zu diesem Zweck müssen ganztägig Schatten- sowie Sonnenplätze im Freigehege vorhanden sein. Für Perioden mit kühlerem oder sehr nassem Klima muss ein beheizbares, trockenes Schildkröten-/Gewächshaus (z. B. ein überdachtes, UV-lichtdurchlässiges Frühbeet mit installierter Wärmelampe) vorhanden sein, damit die Tiere sich bei schlechter Witterung zurückziehen und aufwärmen können. Die Temperaturen sollten am Boden tagsüber zwischen 26 und 28 °C liegen (lokal bis 40 °C) und nachts auf etwa 17 bis 20 °C sinken. Zur Messung der Temperaturen ist ein präzises Thermometer erforderlich.
Das Gehege sollte gut strukturiert sein und verschiedene – auch schnell abtrocknende – Untergründe (Muttererde, Sand), Hügel und Verstecke aufweisen. Eine Bepflanzung mit ungiftigen Büschen und Sträuchern (z. B. winterharte mediterrane Pflanzen wie Rosmarin, Salbei, kleinere Büsche und Koniferen) bietet ebenfalls Rückzugsmöglichkeiten und Schattenplätze. Für jedes Tier muss mindestens eine Rückzugsmöglichkeit vorhanden sein. Des Weiteren gehört eine größere, flache Wasserschale zur Grundausstattung.
Ernährung
Europäische Landschildkröten leben in sehr kargen Gegenden und haben sich entsprechend angepasst. Sie sind ausgesprochene Nahrungsspezialisten und ernähren sich vorwiegend von rohfaserreicher pflanzlicher Nahrung. Mithilfe ihres sehr langen Darmes und einer angepassten Darmflora können sie diese hervorragend verwerten. Eine zu reichhaltige Ernährung führt – auch bei Jungtieren – zu Gesundheitsschäden!
Heu, frisches Gras und Wildkräuter sollten ständig zur freien Verfügung stehen. Die Fütterung kann ergänzt werden durch (zuckerfreie, eiweißarme, rohfaserreiche) Heu- oder Landschildkrötenpellets und nur in geringen Mengen Gemüse und Salat (z. B. geraspelte Karotten, Romanasalat, Fenchel, Zucchini; KEIN Obst). Zur Mineralstoffversorgung eignen sich Sepiaschalen. Frisches Wasser muss ständig zur Verfügung stehen.
Achtung: Eine eiweißreiche oder zuckerhaltige Ernährung (z. B. viel Gemüse, Klee, Haferflocken, Milchprodukte, Obst) führt zu Erkrankungen bei den Tieren, auch wenn sie diese gerne fressen! Dies gilt auch für die Jungtiere!
Pflege
Futterreste und Kot müssen täglich entfernt werden. Wasserschalen sollten ebenfalls täglich gereinigt und mit frischem Wasser gefüllt werden. Bei sehr trockener Witterung sollte ein Teil des Freigeheges einmal täglich leicht befeuchtet werden. Eine (Schatten)Stelle sollte immer leicht feucht sein.
Landschildkröten zeigen Gesundheitsstörungen oft sehr spät. Der Gesundheitszustand der Tiere muss daher täglich kontrolliert werden. Zudem sollten sie regelmäßig gewogen werden, um den Ernährungszustand bewerten zu können. Häufig bei Landschildkröten auftretende Gesundheitsprobleme sind Panzerdeformationen, Durchfallerkrankungen, Leber- und Nierenprobleme, Gicht, Legenot, Verfettung und Parasitenbefall. Bei Auffälligkeiten muss ein reptilienkundiger Tierarzt hinzugezogen werden. Einmal jährliche Kotuntersuchungen auf Endoparasiten sind empfehlenswert.
Herpesvirusinfektionen können für Europäische Landschildkröten tödlich verlaufen. Daher sollten neu erworbene Tiere, bevor sie in eine bestehende Gruppe integriert werden, mindestens einen Sommer ohne Kontakt zu anderen Schildkröten gehalten und entsprechende Untersuchungen (Kot- und Blutproben) durchgeführt werden.
Zur Darmflora von Landschildkröten gehören häufig auch Salmonellen, welche für die Tiere harmlos sind, aber beim Menschen zu Erkrankungen führen können. Durch Hygienemaßnahmen (gründliches Händewaschen u. ä.) kann eine Ansteckung vermieden werden.
Eingewöhnung und Umgang
In den ersten Tagen in ihrem neuen Heim benötigen die Tiere Ruhe, um sich an ihre neue Umgebung zu gewöhnen. Erfahrungsgemäß sind die meisten Landschildkröten nicht scheu. Trotzdem sind Reptilen reine Beobachtungs- und KEINE Streicheltiere! Häufiges Hochnehmen und Herumtragen führt zu starkem Stress bei den Tieren!
Die Tiere sollten nur bei Bedarf gefangen werden. Sie können mit der bloßen Hand am Panzer gefasst werden. Vorsicht: Größere Tiere können kräftig zubeißen.
Besonderheiten
Für die hormonelle Regulation und das Wohlbefinden von Europäische Landschildkröten ist eine mehrmonatige Überwinterung bei Temperaturen zwischen 2 und maximal 6 °C unbedingt notwendig. Diese muss bereits im ersten Lebensjahr erfolgen. Hierfür gibt es verschiedene Methoden (Kühlschrank, kühler Kellerraum, Freiland), die in der Fachliteratur genauer beschrieben werden. Ohne Überwinterung können die Tiere nicht dauerhaft gesund erhalten werden!
Mediterrane Landschildkröten können – unabhängig vom Alter – nur in Freilandgehegen artgerecht gehalten werden. Können Tiere im begründeten Einzelfall (z. B. Erkrankung) nicht draußen gehalten werden, ist auf eine adäquate UV-Bestrahlung und das richtige Temperaturgefälle zu achten.